E-Commerce in Frankreich und Rahmenbedingungen für die Startup-Gründung
Schon seit einigen Jahren hat sich der Onlinehandel in Frankreich fest etabliert. Im Vergleich zu Deutschland ist der e-Commerce nicht nur größer, sondern wächst auch schneller.
Eine Studie von Strategy & Action zeigte auf, dass im Jahr 2011 eine Steigerung der Online-Umsätze von 22% auf 37, 7 Milliarden Euro stattfand, in Deutschland betrug die Steigerung lediglich 8,1% auf 26,1 Milliarden Euro. Für deutsche e-Commerce-Betreiber ist die Entwicklung ins französische Ausland daher meist ein lohnenswerter Schritt. Ebenso bietet sich jedoch auch die Gründung direkt im Nachbarland an, zumal es einige interessante Vorteile für Gründer gibt.
Vor- und Nachteile der französischen Startup-Szene
Ähnlich wie Deutschland, Großbritannien oder Schweden zählt Frankreich zu einer der Top-Nationen, wenn es um die Startup-Gründung geht. Dennoch müssen Vor- und Nachteile im Vorfeld abgewogen werden, da stets einige individuelle Gegebenheiten miteinzubeziehen sind. Mitunter ergeben sich außerdem interessante Unterschiede hinsichtlich der deutschen Startup-Szene:
Vorteile
- In Frankreich gibt es bereits eine starke Community von Freelancern und Unternehmern, sodass sich etliche Branchentreffpunkte etabliert haben. Zudem haben die Gründer und Mitarbeiter Zugriff auf viele Co-Working-Spaces, die das Arbeiten nochmals stark vereinfachen und für Connections sorgen. Einige international ausgerichtete Konferenzen sind ebenfalls in Frankreich zu finden.
- Anders als in Deutschland, wo sich ein Großteil der Startup-Szene auf Berlin beschränkt, sind in Frankreich auch Regionen wie Grenoble, Lille, Lyon, Bordeaux oder Toulouse gefragt. Es entwickeln sich also mehrere voneinander unabhängige stabile Netzwerke und lebendige Gründerzentren.
- In Frankreich ist die Existenzgründung zu einem echten Trend geworden, der mittlerweile auch medial berücksichtigt wird. Es gibt daher regelmäßig Berichterstattungen über digitale Startups, die in der breiten Masse Anklang finden.
- Einige der besten Wirtschaftsschulen sind in Frankreich zu finden, ebenso ist das Land Heimat von international geschätzten technischen Fachleuten - darunter beispielsweise Xavier Niel, der die Ecole-42-Programmierschule, den 1000startups-Inkubator und die Seed-Investment-Gesellschaft Kima Ventures vorangetrieben hat.
- Die französische Regierung ist darin bestrebt, ihre IT-Startups zu unterstützen und hat diesbezüglich sogar einen Minister für Digitales ernannt (Axelle Lemaire). Zudem wurde die Marke „La French Tech" geschaffen, die die internationale Bekanntheit von Startups langfristig stärken soll.
Nachteile
- Einige Wirtschaftszweige sind in Frankreich sehr stark voneinander abgegrenzt. So kommen beispielsweise alle Regierungsmitarbeiter von der nationalen Verwaltungsschule und arbeiten nur im staatlichen Betrieb. Sie sind damit stark von der Startup-Welt ausgegrenzt.
- Hinsichtlich der technischen Ausbildung hat Frankreich noch Nachholbedarf, da das Programmieren im Gegensatz zu anderen Ländern noch nicht in die Lehrpläne aufgenommen wurde.
- Die bereits oben erwähnte Initiative „La French Tech" bietet zwar viel Potenzial, arbeitet derzeit jedoch noch kaum mit anderen Programmen zusammen, beispielsweise Tech City in Großbritannien. So werden mitunter viele Chancen von Symbiosen verschenkt.
- Wenngleich sich die französische Regierung aktiv für Startups einsetzt, so hat die Vergangenheit gezeigt, dass eine Tendenz zur Unbeständigkeit besteht. Zudem finden Veränderungen meist in einem eher gemächlichen Tempo statt.
- Ein Problem ist auch die Tatsache, dass die generelle Einstellung gegenüber dem Geschäftemachen, dem großen Geldverdienen und dem Scheitern in Frankreich noch sehr feindselig und skeptisch ist. Gleichzeitig ist bei vielen Franzosen die Befürchtung präsent, dass viele Gründer Frankreich verlassen (dass andererseits auch Investoren und Gründer aus anderen Ländern hinüberkommen, wird größtenteils nicht bedacht)
- Gründen ist derzeit ein angesagter Hype, aus diesem Grund gibt es in Frankreich sehr viele „Möchtegern-Gründer", die schnell wieder in der Versenkung verschwinden. Dieser Umstand tritt allerdings auch in vielen anderen Trendzentren auf, darunter auch Deutschland oder Israel
Finanzieller Vorteil in Frankreich?
Ein ganz wesentlicher Vorteil, der für manch einen deutschen Gründer infrage kommen könnte, ist außerdem die Handhabung der Insolvenz in Frankreich. Denn anders als in Deutschland wird die Überschuldung nicht als Insolvenzgrund in Betracht gezogen. Gleichzeitig ist außerdem eine Restschuldbefreiung bei Privatinsolvenzen in einem sehr viel schnelleren Verfahren erreichbar. Dieses ist in Frankreich bereits in einem Zeitraum von 12 bis 18 Monaten möglich, während es in Deutschland zwischen 7 und 9 Jahren dauern kann. Genaueres zu den Voraussetzungen und weiteren rechtlichen Gegebenheiten erklärt folgender Beitrag.
Das sollten Unternehmer in jedem Fall beachten
Da der Onlinehandel in der Regel international abläuft, kann es für Händler schnell kompliziert werden. Wird nach Frankreich verkauft, so wissen viele Unternehmer beispielsweise nicht genau, welche Rechtsordnung nun gilt. Bei Geschäften mit Verbrauchern in Frankreich kann jedoch das französische Recht zur Anwendung kommen, auch wenn der Händler in Deutschland sitzt. Rechtliche Besonderheiten gilt es in Bezug auf den Datenschutz, Vertragsschluss, das Widerrufsrecht und die Pflichtangaben zu beachten. Bei Verstößen können die Sanktionen durchaus schwerwiegend sein und wirken sich nicht nur auf französische Onlinehändler aus, sondern auch auf deutsche, die ihr Geschäft auf Frankreich ausgerichtet haben. Eine Studie von Strategy & Action bietet eine Auflistung aller relevanten Bestandteile und ist hier einsehbar, andererseits lohnt sich allerdings auch der Blick auf bereits bestehende AGB anderer Onlineshops, etwa diese hier. Wärmstens empfohlen wird aber in jedem Fall die Unterstützung eines Fachmanns, um die Formulierung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen und die Absicherung der Internetpräsenz zu gewährleisten.
Ansonsten sind folgende Empfehlungen für den e-Commerce-Bereich in Frankreich sinnvoll:
1. Zahlungsarten der Landespraxis anpassen
Anders als in Deutschland hat sich die Kreditkarte als Hauptzahlungsmittel durchgesetzt. Mitunter kann auch die Scheckzahlung in Betracht gezogen werden, ebenfalls üblich ist Vorkasse.
2. Komplette Übersetzung der Website ins Französische
Eine grobe Übersetzung der Produktdetails ist vielleicht einfach, aber nicht zielführend. Stattdessen sollten die Produkte besser werbewirksam für den Kunden in Szene gesetzt werden. Auch allgemeine Verkaufsbedingungen und gesetzliche Pflichtangaben müssen übersetzt werden.
3. Reaktive und effiziente Kommunikation
Der Service sollte die französische Sprache beherrschen, sowohl in Schrift als auch Wort. Außerdem sollten dem Kunden eine Anschrift in Frankreich, eine Telefonnummer und eine Mail-Adresse zur Verfügung gestellt werden.
4. Mobile Optimierung
Smartphones und Tablets spielen auch in Frankreich eine wachsende Rolle beim Shopping. Jeder dritte Franzose erledigt mittlerweile zwei bis drei Einkäufe im Jahr per Mobilfunk, der in Frankreich generierte Umsatz durch M-Commerce (Mobile Commerce) lag bereits 2012 bei etwa 2 Milliarden Euro. Websites sollten daher bestenfalls auch für mobile Endgeräte konzipiert sein und eine gute Benutzerfreundlichkeit gewährleisten.
Neuer Gesetzesentwurf soll weiter Startups stärken
Frankreich verfügt über eine gute Mathematikausbildung, dementsprechend finden sich dort zahlreiche sehr gut ausgebildete Informatiker - beste Aussichten also für Start-Ups, die Fachkräfte suchen. Problematisch wird es jedoch dadurch, dass diese nur ungern in der Heimat arbeiten, denn wie auch in vielen anderen europäischen Ländern gestaltet sich die Suche nach Investoren und Geldgebern für junge Tech-Unternehmen schwierig. Das Handelsblatt berichtete bereits im November 2014, dass das französische Wirtschaftsministerium Abhilfe schaffen will und Klein- und Mittelbetriebe fortan stärker unterstützt werden sollen. Wirtschaftsminister Emmanuel Macron forderte demnach einen „Small Business Act", also ein Gesetz zur Förderung, wie es auch in den USA existiert.
„Die digitale Wirtschaft wird der wichtigste Hebel für unser Wachstum sein. Doch heute ist die stärkste Bremse für Innovationen ihre ungenügende Finanzierung."
Noch im Frühjahr dieses Jahres soll daher ein Gesetzesentwurf vorgelegt werden, der die Hürden für technologieintensive Start-Ups und Unternehmen generell beseitigen soll.