Was Deutsche bei der Familienpolitik von Franzosen lernen können
In Europa spielen Deutschland und Frankreich eine zentrale Rolle bei der Gestaltung von Familienpolitik zur Steigerung der Geburtenrate und der Förderung der Arbeitsmarktintegration von Eltern. Trotz ähnlicher demografischer Herausforderungen verfolgen beide Länder unterschiedliche Ansätze. Ein Vergleich ihrer Familienpolitik und der Auswirkungen auf die Geburtenrate liefert wertvolle Einblicke in die Wirksamkeit verschiedener politischer Strategien und kultureller Ansätze.
2. Frankreich fördert Berufs- und Privatleben auf allen politischen Ebenen
3. Eine aktivere Frauenpolitik für Deutschland
Die Geburtenrate in Frankreich liegt weit über dem europäischen Durchschnitt, dafür rangiert die Geburtenrate in Deutschland am unteren Ende der Skala. Aber warum ist das so?
Die gängige Auffassung ist, dass die niedrige Geburtenrate in Deutschland auf die, im Vergleich zu Frankreich, mangelnden Angebote zur Kinderbetreuung zurückzuführen ist. Es ist aber auch das System finanzieller Unterstützung von Familien in Deutschland, was letztendlich dazu führt, dass Familie und Beruf hier viel schwerer zu vereinbaren sind. Eben auf diese Vereinbarkeit legt Frankreich traditionell seinen Fokus.
Dagegen überwiegen in Deutschland eher die monetären Transferleistungen, es gibt zu geringe Anreize und zu wenig Unterstützung für die Berufstätigkeit von Müttern. Auch hoch qualifizierte Frauen müssen in dem Moment wenn sie ein Kind bekommen, ihre Arbeit einschränken oder sogar aufgeben, was auch den großen Anteil kinderloser Akademikerinnen in Deutschland erklärt.
Frankreich setzt auf eine Unterstützung kinderreicher Familien und fördert die Work-Life-Balance durch das Angebot von Dienstleistungen. Zusätzlich wird auch in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik besonders auf die Belange von Frauen geachtet. Durch diese Abstimmung der Politikbereiche der Familien- und Gleichstellungspolitik wird generell die Idee von zwei Vollverdienern in der Familie gefördert.
Gleichzeitig wird in Deutschland im Bereich der Arbeitsmarktpolitik immer noch am traditionellen Familienmodell mit einem (männlichen) Hauptverdiener festgehalten. Frauen sind höchstens Zuverdienerinnen, die häufig in geringfügiger Beschäftigung, ohne eigenständige Existenzsicherung, ohne Aufstiegsmöglichkeiten und ohne Aussicht auf eine reguläre Vollzeitstelle arbeiten.
Hier zeigt sich, dass Deutschland noch viel von Frankreich lernen kann.
Die Belange von Frauen und Familie sollten auch hier viel mehr als politisches Querschnittsthema aufgefasst werden.
Für Frauen sollten generell die Rahmenbedingungen verbessert werden, etwa durch eine aktive Frauenpolitik, die sich nicht nur auf die Mütter beschränkt, sondern generell Frauen dabei unterstützt, ihr Berufsleben selbstbestimmter zu bewältigen.
Außerdem wird durch das französische Betreuungs- und Bildungssystem auch die Chancengleichheit von Kindern unterstützt. Dabei wird nicht nur das traditionelle Familienmodell gefördert, sondern auch unverheiratete Eltern und Doppelverdiener-Haushalte werden gleich stark finanziell subventioniert.
In den folgenden Bereichen herrscht in Deutschland Nachholbedarf:
Familienpolitik
Abkehr von der finanziellen Unterstützung für Familien hin zu einer verbesserten Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Das bedeutet: Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen (inkl. ganztägiger Kinderbetreuung und Ganztagsschulen und verbesserter Ausbildung und Bezahlung der Erzieher/innen), da ein eigenständiges Einkommen von Müttern der Kinderarmut am effektivsten entgegenwirkt.
Arbeitsmarktpolitik
Die betriebliche Gleichstellung könnte durch eine Geschlechterquote für Aufsichtsräte und Vorstände in großen Betrieben und durch ein Gesetz zur Entgeltgleichheit geregelt werden. Außerdem sollte verstärkt auf familienfreundliche Arbeitszeiten geachtet werden.
Bildungspolitik
Frauen sollten verstärkt Zugang zu (Weiter-)Bildungsmöglichkeiten haben, damit sie die in den Erziehungszeiten verpassten Bildungsabschlüsse leichter nachholen können.
Sie sollten zudem ermutigt werden, sogenannte Männerberufe zu ergreifen und dort von ihren weiblichen Soft Skills zu profitieren (gleiches gilt selbstverständlich umgekehrt auch für Männer). Traditionelle Rollenbilder sollten dafür am besten schon in der Schule aufgebrochen werden.
Rentenpolitik
Um die Altersarmut von Frauen zu bekämpfen, muss die Erwerbstätigkeit von Arbeitnehmerinnen gefördert werden, bei gleichzeitiger Erhöhung der Gehaltschancen. Dadurch haben sie nicht nur höhere Ansprüche an das gesetzliche Rentensystem, sondern gleichzeitig auch höhere private Ersparnisse.
Frauen sollten generell gefördert werden, wie durch eine Unterstützung von älteren Frauen bei der Jobsuche, durch altersgerechte Arbeitsplätze, lebenslange Weiterbildung und durch eine Sensibilisierung von Unternehmen für die Potenziale älterer Arbeitnehmerinnen.
Generell muss die Alterssicherung der Frauen verstärkt in den Fokus genommen werden. Zusätzlich zur Anrechnung von Erziehungszeiten bei der Rente und der Hochrechnung niedriger Einkommen während der Erziehungszeiten, könnten weitere Rentenansprüche für Mütter pro Kind gewährt und auch familiäre Pflegearbeit angerechnet werden.
Bisher ist es weder Deutschland noch Frankreich gelungen, die Gleichberechtigung von Männern und Frauen alleine durch familienpolitische Maßnahmen zu unterstützen. Dafür ist letztendlich eine progressive und aktive Frauenpolitik vonnöten, eine Querschnittsaufgabe für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.
In diesem Punkt können Frankreich und Deutschland voneinander lernen. In vielen Politikbereichen sind weitere Schritte notwendig, beispielsweise die Einführung einer Individualbesteuerung und eine Adaption des Elterngeldes nach schwedischem Vorbild und eine Ausweitung der Alterssicherung für Frauen.
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