Management in der Krise: Warum Frankreich von Deutschland lernen muss

Frankreich gilt als Heimat großer Denker und visionärer Führungspersönlichkeiten – doch beim Management im Alltag hinkt das Land hinterher. Während Deutschland und andere europäische Nachbarn zunehmend auf flache Hierarchien und partizipative Führung setzen, bleibt das französische Modell oft starr und kontrollierend. Ein aktueller Bericht der Inspection générale des affaires sociales (Igas) deckt gravierende Schwächen auf – und stellt die Frage: Warum funktioniert Management in Frankreich schlechter als in Deutschland?
2. Eine tief verwurzelte Vertrauenskrise zwischen Mitarbeitern und Führung
3. Warum das französische Management an der Ausbildung scheitert
4. Konkrete Reformvorschläge für ein modernes Management
In Frankreich wird das Management-Modell zunehmend infrage gestellt – insbesondere im Vergleich zu Ländern wie Deutschland, Irland, Italien oder Schweden. Ein aktueller Bericht der Inspection générale des affaires sociales (Igas) kritisiert das französische Management scharf. Es sei geprägt von einer starken Hierarchie, einer zentralisierten Entscheidungsfindung und geringer Autonomie der Mitarbeitenden. Diese Struktur führe dazu, dass Entscheidungen meist von der Unternehmensspitze getroffen werden, während Mitarbeiter oft lediglich ausführende Rollen innehaben. Anerkennung und Wertschätzung des Geleisteten sind dabei oft nur begrenzt vorhanden.
Zum Vergleich: In Deutschland fördern viele Unternehmen ein dezentrales Management, bei dem Teams eigenständige Entscheidungen treffen dürfen. Diese flachere Hierarchie trägt zur Motivation der Mitarbeitenden bei und steigert oft auch die Produktivität. Es überrascht daher kaum, dass Frankreich in internationalen Vergleichen regelmäßig schlechter abschneidet. Die zentralisierte französische Führungsstruktur wirkt nicht nur demotivierend, sie mindert langfristig auch die Innovationskraft. In einem Zeitalter, das Agilität und Zusammenarbeit verlangt, erscheint das französische Modell zunehmend als anachronistisch.
Ein zentrales Problem des französischen Managements ist die tief verwurzelte Vertrauenskrise zwischen Mitarbeitenden und Führungskräften. Die Beziehung ist häufig durch Misstrauen, Kontrolle und eine klare Abgrenzung der Hierarchien geprägt. Diese Distanz ist nicht zufällig, sondern tief in der französischen Geschichte verwurzelt. Laut der Soziologin Danièle Linhart, Direktorin beim CNRS, haben Konflikte zwischen Arbeit und Kapital in Frankreich eine lange Tradition – besonders während der Trente Glorieuses, einer Zeit wirtschaftlichen Aufschwungs, die stark durch die CGT und die politische Stärke der Kommunistischen Partei Frankreichs geprägt war.
Diese historische Konfliktkultur wirkt bis heute nach. In Deutschland hingegen ist die Kultur des Betriebsrats und der Mitbestimmung stärker verankert – zwei Faktoren, die das Vertrauen fördern. Eine aktuelle Studie zeigt, dass nur 56 % der französischen Beschäftigten das Gefühl haben, für ihre Arbeit angemessen anerkannt zu werden. In Deutschland liegt dieser Wert bei 75 %, im Vereinigten Königreich bei 72 %. Diese Kluft spricht Bände. Sie zeigt, dass das französische Management nicht nur strukturelle, sondern auch kulturelle Reformen benötigt, um das Arbeitsklima zu verbessern und Produktivitätspotenziale zu heben.
Ein weiteres zentrales Problem liegt in der Ausbildung der französischen Führungskräfte. Der Igas-Bericht kritisiert die Programme als zu akademisch und weltfremd. Es fehle an praxisnaher Ausbildung und an einem echten Verständnis für Organisationsstrukturen und Mitarbeiterführung. Viele Manager lernen zwar Theorien, sind jedoch unzureichend auf reale Herausforderungen vorbereitet – sei es im Umgang mit Konflikten, der Motivation von Teams oder in Fragen der Personalentwicklung.
Diese Defizite haben direkte Auswirkungen auf die Gesundheit der Mitarbeiter sowie auf die Qualität des Arbeitsumfelds. In Frankreich leiden laut Studien etwa 30 % der Beschäftigten unter arbeitsbedingtem Stress, deutlich mehr als in vielen anderen europäischen Ländern. In Deutschland hingegen ist der duale Ausbildungsweg weit verbreitet, was zu einer stärkeren Verankerung praktischer Kompetenzen im Management führt. Wer Teams leiten will, sollte wissen, wie diese arbeiten. In Frankreich wird dieses Prinzip noch zu selten beachtet
Um das französische Management grundlegend zu verbessern, schlägt die Igas mehrere Reformen vor. Zunächst müsse die hierarchische Distanz reduziert werden – sowohl durch eine andere Führungskultur als auch durch Veränderungen im Bildungssystem. Initial- und Weiterbildungen sollten praxisnäher gestaltet und das Lernen durch Erfahrung, etwa über Apprenticeships, stärker gefördert werden.
Zudem empfiehlt der Bericht, Führungskräfte intensiver zu begleiten und sie in Richtung eines partizipativen, innovativen und dezentralisierten Managements zu führen. Das bedeutet konkret: mehr Entscheidungsfreiheit für Teams, regelmäßige Feedbackrunden und eine Kultur der Anerkennung. Darüber hinaus sollte der Comité Social et Économique (CSE) stärker in Fragen der Arbeitsorganisation eingebunden werden. Ziel ist es, die Mitarbeiterbeteiligung zu erhöhen und damit sowohl das Betriebsklima als auch die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu steigern. Diese Reformen könnten Frankreich helfen, von erfolgreichen Modellen wie dem deutschen zu lernen – und so das Vertrauen der Beschäftigten zurückzugewinnen.
Mehr dazu:
- Management und Hierarchie: Deutsche & Franzosen im Vergleich
- Erfolgsfaktoren für deutsch-französische Teams: Zusammenarbeit optimieren
- Effektives Personalmanagement in Frankreich: Kulturelle und rechtliche Aspekte verstehen

Jérôme Lecot

