Arbeitszeugnis in Frankreich: Aushändigung und Regeln

Ein Arbeitszeugnis ist in vielen Ländern ein wichtiges Dokument für den beruflichen Werdegang, so auch in Frankreich. Doch im Vergleich zu Deutschland gibt es deutliche Unterschiede in der Struktur, dem Inhalt und den rechtlichen Vorgaben. Wir beleuchten die Besonderheiten des französischen Arbeitszeugnisses, geben ein Formulierungsbeispiel und erläutern Sonderfälle, die Arbeitnehmer und Arbeitgeber kennen sollten.
2. Beispiel eines französischen Arbeitszeugnisses
3. Aushändigung des Arbeitszeugnisses an den Arbeitnehmer in Frankreich
4. Sonderfall bei der Aushändigung des französischen Arbeitszeugnisses
5. Informationen, die im französischen Arbeitszeugnis vermerkt werden sollten
In Deutschland hat man die Möglichkeit, nicht nur bei Verlassen eines Unternehmens, sondern auch nach einigen Jahren Betriebszugehörigkeit oder bei einem Führungswechsel ein Arbeits- oder Zwischenzeugnis anzufragen.
Meist erhält man dann ein stark codiertes Dokument, das auch auf die Arbeitseinstellung des Arbeitnehmers oder das Verhältnis zu den Kollegen Bezug nimmt. Ganze Internetseiten (Arbeitszeugnis – Geheimcode, Formulierungen und Noten richtig anwenden und interpretieren) sind dem Verstehen dieser "Geheimcodes" gewidmet, die es dem Arbeitnehmer erlauben sollen versteckte Kommentare über eventuelle Fehlverhalten abzugeben.
Das französische Arbeitszeugnis ist eine weitaus nüchternere Angelegenheit: Es trägt im Idealfall einfach die Fakten des zu Ende gegangenen Arbeitsverhältnisses zusammen. Streng genommen handelt es sich bei diesem Dokument also eher um ein neutrales Zertifikat, als um ein bewertendes Zeugnis.
Nach Beendigung eines Arbeitsvertrages, egal ob befristet oder nicht, hat in Frankreich jeder Arbeitnehmer Anspruch auf ein Arbeitszeugnis (certificat de travail). Daraus sollten die Rolle des Arbeitnehmers sowie seine Aufgaben im Unternehmen hervorgehen. In Frankreich ist die Ausstellung des Arbeitszeugnisses verpflichtend und sein Inhalt unterliegt einigen speziellen Regeln.
Egal, ob Sie selbst kündigen, gekündigt werden oder Ihr befristeter Arbeitsvertrag ausläuft: der Grund Ihres Ausscheidens aus einem Unternehmen spielt hierbei keine Rolle. Sie haben in jedem Fall Anspruch auf dieses Schreiben.
Es soll Ihnen als eine Art Zeugnis dienen, damit künftige Arbeitgeber erkennen, wann Sie wo gearbeitet haben und welche Aufgaben und Verantwortungsbereiche Sie übernommen haben. Gegebenenfalls kann daraus auch die Art Ihres Arbeitsverhältnisses hervorgehen, wenn Sie etwa zusätzlich ein Empfehlungsschreiben Ihres Arbeitgebers erhalten.
Hier ist ein Beispiel eines Arbeitszeugnisses in Frankreich:
Vor- und Nachname des Angestellten
Anschrift des Angestellten
Objet : certificat de travail
Je soussigné [Vor- und Nachname des Arbeitgebers], demeurant [Anschrift des Arbeitgebers], certifie que [Vor- und Nachname des Arbeitnehmers], demeurant [Anschrift des Arbeitnehmers], a occupé le poste de [Stellentitel] dans mon entreprise [Firmenname] du [Datum der Anstellung] au [Datum des Vertragsendes].
[Anzahl der im Rahmen des CPF erworbenen Stunden] heures ont été acquises au titre du droit individuel à la formation, pour une somme correspondant à [Anzahl der Stunden umgerechnet in Euro] euros.
L'organisme paritaire collecteur agréé (OPCA) compétent pour assurer le financement de ces heures dans le cadre de la portabilité du DIF est [Name der zugelassenen paritätischen Sammelstelle].
Fait à [Ort]
Le [Datum]
Unterschrift
Laut des französischen Arbeitsgesetzes (L1234-19, Code du travail) ist der Arbeitgeber verpflichtet Ihnen zum Vertragsende das Arbeitszeugnis direkt auszuhändigen.
Dies bedeutet, Sie können sich das Zeugnis persönlich abholen, es darf aber auch per Post verschickt werden. Kommt der Arbeitgeber dieser Verpflichtung nicht nach, muss er mit einer Geldstrafe rechnen. Diese kann immerhin zwischen 750 € und 3750 € liegen.
Händigt er es Ihnen verspätet aus oder entspricht es nicht den vorgegebenen Kriterien, ist der Arbeitgeber verpflichtet, Sie zu entschädigen, sofern Ihre Beanstandungen vor einem französischen Arbeitsgericht Bestand haben.
Wenn Sie keine Kündigungsfrist einzuhalten haben, kann Ihnen Ihr Unternehmen laut Arbeitsgesetz auch ein einem Arbeitszeugnis ähnliches Dokument ausstellen, sofern es bestimmte Informationen enthält. Aus diesem muss das Ende des Arbeitsvertrages hervorgehen, um Ihnen zu ermöglichen sich bis Ablauf des Vertrages auf eine neue Stelle bewerben zu können.
Diese Bescheinigung ersetzt das Arbeitszeugnis allerdings nicht, das Ihnen wie vorgesehen innerhalb der Kündigungsfrist ausgehändigt werden muss.
Achten Sie unbedingt darauf, dass Ihr französisches Arbeitszeugnis folgende Informationen enthält:
- Name und Anschrift des Unternehmens
- Vor- und Nachname des Vorgesetzten
- Ihr Vor- und Nachname sowie Ihre Adresse
- Datum Ihres Eintritts in das Unternehmen
- Datum, an dem Sie das Unternehmen verlassen (Austrittsdatum)
- Art Ihrer Beschäftigung im Unternehmen und Aufgaben, die Sie übernommen haben
- Anzahl der Stunden für Weiterbildungen (Compte personnel de formation, CPF), die Sie in Anspruch bzw. nicht in Anspruch genommen haben
- der für Sie zuständige Organisme paritaire collecteur agréé (OPCA), der Ihre Fortbildungskosten übernimmt
- Datum, an dem Ihnen das Arbeitszeugnis ausgehändigt wird und an dem es verfasst wurde
- Unterschrift Ihres Arbeitgebers
Vorsicht: Verwechseln Sie das Arbeitszeugnis nicht mit dem Beschäftigungsnachweis (Attestation France Travail) und der Abschlussquittung (Solde de tout compte), die Ihnen zusätzlich bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgehändigt werden müssen.
Mehr dazu:
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Olivier Geslin

