Beamte in Frankreich: 8 bekannte Klischees auf dem Prüfstand
Jeder Beruf hat seine Vorurteile, wobei ein Beamter sicherlich unangefochten an der Spitze steht. Komfortable Pensionen, unmögliche Entlassungen, niedrige Löhne... Hier sind die 8 beliebtesten Klischees in Frankreich gegenüber Beamten.
2. Beamte sind schlecht bezahlt
3. Beamte sind arbeitsfaul
4. Beamte streiken in Frankreich häufig
5. Beamte lassen sich häufiger krankschreiben
6. Beamte gehen sehr früh in den Ruhestand
7. Es gibt zu viele Beamten in Frankreich
8. Der öffentliche Dienst lässt sich in Frankreich nicht reformieren
Das ist falsch. Schon immer konnten Beamte aufgrund zweier Rechtsgrundlagen entlassen werden.
Einerseits könnte das Parlament ein Gesetz zur Freisetzung von Beamten und Führungskräften verabschieden, wie es schon unter anderen Regierungen geschehen ist.
Andererseits besteht seit 1984 die Möglichkeit einen Beamten zu entlassen, der im Zuge einer Umstrukturierung eine neu geschaffene Stelle ablehnt. Das wird dann als Fernbleiben von der Arbeit gewertet, und so kann der Bedienstete seiner Ämter enthoben werden.
Das stimmt. Insgesamt werden sie im Vergleich zum privaten Sektor schlechter bezahlt, insbesondere wenn man die Gehälter von hohen Staatsbediensteten und denen von Führungskräften in der privaten Wirtschaft vergleicht.
Deshalb gibt es immer wieder Beamte, die ab einem gewissen Alter aus dem Staatsdienst in die freie Wirtschaft wechseln.
Vergleicht man allerdings im Gegenzug die niedrigeren Gehaltsklassen, so ist der geringste Lohn eines Beamten deutlich höher, als jener, der in der privaten Wirtschaft angeboten wird.
Das ist falsch. In den sogenannten aktiven Bereichen, wie bei der Polizei, Feuerwehr oder beim Militär gibt es reduzierte Arbeitszeiten.
Das hängt aber mit der Natur der Tätigkeit zusammen, die beispielsweise körperlich anstrengend sind oder verstärkt Nachtarbeit erfordert. Alleine aus gesundheitlichen Gründen kann man unter diesen Bedingungen nicht 35 oder 40 Stunden pro Woche arbeiten.
Was das Bild des arbeitsunwilligen Beamten angeht, so ist dies heutzutage eher veraltet, da es schlicht weniger Beamten gibt.
Im öffentlichen Dienst in Frankreich gibt es zwar viele Führungskräfte (60 % im Staatsdienst), dafür aber immer weniger SekretärInnen und Büroangestellte. Das Ergebnis: immer mehr Führungskräfte beklagen sich über Überlastung im Job.
Das Vorurteil des faulen Beamten kommt auch daher, dass die vielen rechtlichen Rahmenbedingungen Prozesse und Arbeitsabläufe oft verlangsamen. Die Stressproblematik im Job entspricht genau der gleichen, die in privaten Unternehmen herrscht.
Das stimmt. Der öffentliche Sektor übertrifft den privaten sehr deutlich was die Anzahl der Streikstunden angeht.
Aber Vorsicht! Das schließt öffentliche Unternehmen wie SNCF und RATP mit ein, in denen die Mitarbeiter keine Beamten sind.
Die größere Streik-Neigung hängt mit einer sozialen Polit- und Gewerkschaftskultur zusammen, die man im privaten Sektor so nicht vorfindet.
Was die Sicherheit des Arbeitsplatzes angeht, hat es wohl keine entscheidende Bedeutung, dass das Streikrecht verfassungsrechtlich geschützt ist. Außerdem gibt es im Streikfall seit 2000 eine systematische Lohnzurückhaltung im öffentlichen Sektor.
Streiken ist also kein Hobby für die Beamten, sondern ein wirklicher Ausdruck von Unzufriedenheit.
Richtig und falsch. Im Bildungswesen gibt es tatsächlich viele Krankmeldungen, allerdings handelt es sich hier auch um eine besonders schwierige Arbeit.
Übermäßig missbräuchliche Krankmeldungen sind schwer zu überprüfen, da etwa Depressionen und andere gesundheitliche Probleme, physisch und psychisch, hier sehr oft auftreten. Wie bei der Polizei: Hier reicht schon die Anzahl der Suizide in den offiziellen Berichten als Beweis.
Die Krankmeldungen der Verwaltungsmitarbeiter sind schwer zu beurteilen, da sie von einer Gemeinde zur anderen stark variieren. Auch der Umgang mit Personal ist ganz unterschiedlich. Manchmal dient das Krankfeiern der Mitarbeiter in diesem Bereich auch als Mittel, um Stress abzubauen oder Belästigungen zu entgehen.
Das ist falsch. Eine Ausnahme bildet das Militär, wo es die Möglichkeit gibt, schon mit 50 oder 55 Jahren in den Ruhestand zu gehen. Insgesamt nähern sich die Beamten mit ihrem Renteneintrittsalter der Privatwirtschaft an.
Was die komfortablen Pensionen angeht: Damit ist es seit einer Reform im Jahr 2003 auch vorbei. Und wenn man mit 3/4 eines ohnehin schon geringen Gehalts in den Ruhestand geht, ist man nicht gerade vermögend.
Das ist die große Frage! Aus Sicht des Finanzministeriums, ja! Das ist übrigens schon seit 1880 so, seit Louis Antoine Saint-Just während der Französischen Revolution davon sprach...
Es gibt keine objektive Messmethode um zu wissen, was die richtige Anzahl an Beamten ist. Laut der Weltbank hat sich in allen Ländern, die ihren öffentlichen Dienst stark ausgedünnt haben, etwa Großbritannien, Skandinavien oder Italien, die Qualität des Dienstes erheblich verschlechtert.
Die einzigen beiden Länder, wo sie sich verbessert hat, sind Frankreich und Spanien, wo im europäischen Vergleich die Rate an Beschäftigungen im öffentlichen Sektor am höchsten ist.
Das ist falsch. Es gibt permanent Reformen, neue Gesetze werden andauernd verabschiedet.
2005 wurde das Militär erneuert, danach die Arbeitsbedingungen im Staatsdienst. Insgesamt hat es in den vergangenen 20 Jahren erhebliche Änderungen auf juristischer und sozialer Ebene gegeben.
Mehr dazu:
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Jérôme Lecot